Die AfD wird von Freunden wie Kritikern gerne als „Atompartei“ dargestellt. Auch Anhänger und Gegner der Kernenergie sind sich darin einig. Doch stimmt dieses Image? Ein kleiner Exkurs in die real existierende Energiepolitik der AfD.

Neuerdings wird die AfD gerne als „Atompartei“ dargestellt, und zwar sowohl von Anhängern der Kernenergie, die sich an diese Partei klammern wie der Ertrinkende an den Rettungsring, als auch von Atomgegnern, die ihre Ablehnung der zivilen Kernspaltung damit begründen, es reiche zu wissen, dass die AfD dafür sei.

Das Atomprogramm der AfD

Tatsächlich ist die AfD die einzige im Bundestag vertretene Partei, die in ihrem Programm die Kernenergienutzung befürwortet. Sie hat Anhörungen zur Energiepolitik veranstaltet, in der die Kernenergie eine Rolle spielte, und sie spricht sich für den Bau eines Dual-Fluid-Reaktors aus, dem ich aus exakt diesem Grunde eine sichere Denunziationskarriere als AfD-Volksreaktor vorhersage. Der DFR-Miterfinder, der neuerdings auf einem AfD-Referentenposten wieder auftauchte, wusste hoffentlich, was er tat. Ich halte nichts von guilt-by-association-Hysterie, doch diese personelle Verquickung wird es ungeheuer schwierig machen, die Tür zu anderen Parteien für diese Idee zu öffnen.

Dampfmaschine statt Reaktor

Doch es gibt einen anderen Grund, warum ich der Wahrnehmung der AfD als Atompartei nicht folge. Wenn man nämlich dieser Partei jenseits ihrer wenigen kerntechnik-affinen Vordenker aufs Maul schaut, offenbart sich rasch, was – und wen – wir in Wirklichkeit vor uns haben. 

Diese Partei interessieren Reaktorkonzepte nur peripher. Sie arbeitet weder mit schnellen noch mit thermischen Neutronen, sondern schlicht und ergreifend mit der ollen Dampfmaschine Angstpolitik.

Im Wahlkampf schweigt sich die AfD zur Kernenergie aus. Denn AfD-Politiker wissen, dass mindestens die Hälfte ihrer Wähler nichts davon hält. Zudem tummeln sich an ihrem äußerst rechten Rand völkische Ökofaschisten mit Holzspielzeug-Werkstatt, Hofladen und grünwählender Kundschaft, die Angst vor der Zersetzung des deutschnationalen Erbguts durch ionisierende Strahlung haben. All diese Stimmen will die AfD mitnehmen. Außerdem weiß sie: was immer noch am zuverlässigsten mobilisiert, ist kein Lösungsangebot durch Kerntechnik, sondern ein Angstangebot mit viel Islam, Messern und Identitätsbedrohung.

Die Klima-Lösung der AfD 

Also schweigt die angebliche Atompartei zur Kernenergie und brüllt zur Migration. Auch die Klimapolitik wird auf Deubel komm raus vervölkischt. Die Chance, eine eigenständige Klimapolitik mit dem Lösungsvorschlag Kernenergie zu verbinden und so die CDU vor sich herzutreiben, ließ die AfD liegen. 

Genauer gesagt: sie musste sie verstreichen lassen, denn eine lösungsorientierte Hinwendung zur Kernkraft als Teil einer Klimastrategie oder einer vorwärtsgewandten Industriepolitik ist ihr prinzipiell unmöglich. Die Klimafrage beantwortet die AfD entweder geradheraus mit Leugnung des Problems als solchem, was bedeutet, dass man ihrer Ansicht nach weiter Kohle verbrennen kann. In dieser Strategie ersetzen deutsche Braunkohle und russisches Gas die Kernenergie, für die man sich nicht verkämpfen will. 

Als gemäßigte Variante hat die AfD eine Art weichgespülte Ja-aber-Klimapolitik für den Dienstgebrauch im Angebot: Einem zähneknirschenden Eingeständnis, dass am Klimawandel doch was dran sein könnte, folgt in dieser Version die Behauptung, wir Deutsche seien für die Problemlösung jedoch unzuständig, da zu irrelevant für eine nennenswerte Senkung des Welt-CO2-Ausstoßes oder schlicht nicht schuld daran. 

Statt AKW in Sachsen – Pille in Sambia

Zu letzterer Schlussfolgerung kommt der thüringische AfD-Vorsitzende Stefan Möller im MDR-Interview. Möller behauptet, wir Deutsche müssten eigentlich gar nichts gegen den Klimawandel unternehmen, denn wir hätten damit nichts zu tun. Das wahre Problem sei vielmehr das ungeheure Bevölkerungswachstum in Afrika. Viel besser als Klimapolitik in Deutschland sei also Bevölkerungsreduktion in Afrika. Statt AKW in Sachsen – Pille in Sambia. Das ist die – zwecks öffentlich-rechtlicher Kompatibilität geglättete – Form der rassistischen Höcke-Thurn-und-Taxis-Formel, derzufolge der lebensbejahende afrikanische Menschentyp einfach zu viel schnacksle.   

Patriotische Wirtschaft, saubere Leitkultur

Diesen und vielen anderen Unfug kann man – nicht weiter angefochten von einem gänzlich unkritischen MDR-Mikrofonständer als Gesprächspartner – in Möllers Wahlkampf-Interview vom vergangenen Sonntag nachhören. Möller ist für eine „patriotische“ Wirtschaftspolitik und gegen die Globalisierung. Er streitet gegen das E-Auto und für den deutschen Verbrenner, wohl in Unkenntnis der Tatsache, dass die Großhubraum-Klientel  der Deutschen vor allem im Ausland sitzt, und dass die deutsche Autoindustrie längst im Ausland produziert. Der deutsche Auto-Arbeiter, auf den die AfD mit ihrer gelbwestigen Klimaoffensive jetzt schielt, war bislang ein Globalisierungsgewinner. 

Und sonst? Möller ist für deutsche Leitkultur, die er vor allem mit den Tugenden Sauberkeit und Ordnung gleichsetzt und räsonniert, dass diese beiden selbst Linken auf Auslandsreise fehlen würden. Das, so der Mann aus dem Land der Weimarer Klassik, mache deutsche Identität aus.

Der Kern der AfD: nichts Nukleares

Ich lasse es dahingestellt, wie gern unserereins dereinst in ein solches Sauberland heimkehrt, sollte dieses einmal von Leuten wie Möller regiert werden. Ich sage nur an dieser Stelle nochmal allen deutlich, die nuklearpolitische Hoffnungen auf die AfD setzen: Wer diese Partei wählt und unterstützt, bekommt keinen Molten Salt Reactor, sondern Möllers und Höckes. Er bekommt kein Kernkraftwerk, sondern das, was den Kern dieser Partei ausmacht, und das ist eine Riesenportion Rassismus.

Auch jenen, die „Atomkraft? Nein Danke!“ sagen und ihre Ablehnung mit dem Argument begründen, normale Menschen könnten nichts befürworten, wofür die AfD sich ausspreche, rufe ich zu: Entspannt euch! Die AfD ist keine Atompartei, denn um das zu werden, muss man sich an Evidenz halten statt an Vorurteil, an Versuch im Neuen statt an Irrtum im Alten, an Mut statt an Angst.